
Kinder Afrikas: Zwischen Hoffnung, Härte und einem Lächeln, das alles überstrahlt
23. Oktober 2023
Die Strassen Afrikas
26. Oktober 2023In Afrika kommt man nie zu spät – man kommt genau dann, wenn man ankommt.
Eine afrikanische Weisheit
Ah, die Busia-Grenze! Wo Kenia und Uganda aufeinandertreffen wie zwei alte Freunde, die sich über die Jahre zu sehr aneinander gewöhnt haben. Ein brodelnder Kessel aus Menschen, Waren, hupenden Bussen und improvisierten Geschäftsmodellen. Hier trifft afrikanische Effizienz auf afrikanisches Chaos – und erstaunlicherweise funktioniert es irgendwie.
Doch bevor ich mich ins Getümmel stürzen kann, muss ich erstmal dorthin kommen. Und, mein Gott, TiA – This is Africa! Oder besser gesagt: Die legendäre Afrika Time schlägt wieder zu.
Afrikanische Pünktlichkeit – eine Lektion in Akzeptanz
Der Bus soll um 20:00 Uhr abfahren. Ein schöner Gedanke. In Europa würde das bedeuten: 19:55 Uhr einsteigen, 19:58 Uhr der erste genervte Blick auf die Uhr, 20:01 Uhr ein empörtes „Wo bleibt der Fahrer?!“. Hier? Hier bedeutet das, dass ich um 22:00 Uhr immer noch am Busbahnhof stehe, während um mich herum Männer mit glasigen Augen und stark riechenden Getränken die Zeit mit zwielichtigen Substanzen überbrücken.
Irgendwann dann – ein leichtes Wunder – rollt der Bus los. Oder eher: Er setzt sich ächzend in Bewegung, nur um nach exakt 200 Metern das erste besorgniserregende Geräusch von sich zu geben. Das wird eine lange Nacht.
Die nächsten zwei Stunden legen wir fantastische 15 Kilometer zurück. Dann steht der Bus einfach mal eine Stunde rum. Keiner weiß warum, keiner stellt Fragen. Die Stimmung ist eine Mischung aus stoischer Resignation und afrikanischer Gelassenheit. Irgendwann dann – tatsächlich! – beginnt der Bus, sich etwas flotter zu bewegen. Und so legen wir die 400 Kilometer bis zur Grenze in gerade mal 12 Stunden zurück. Ein Teilerfolg.
Busia – Willkommen im Königreich des Chaos
Die Grenze ist ein wimmelndes Biotop aus LKWs, die aussehen, als hätten sie seit den 80ern keine Wartung mehr gesehen, Minibussen, die jeden erdenklichen Sicherheitsstandard ignorieren, und Händlern, die mit einer beeindruckenden Hartnäckigkeit alles verkaufen, was sich verkaufen lässt – von Socken über Obst bis zu wahrscheinlich gefälschten Visa.
Grenzen sind ja immer eine spezielle Erfahrung, aber Busia ist ein Meisterwerk des organisierten Chaos. Verkehrsregeln? Ein Gerücht. Warteschlangen? Pfff, eher eine kreative Neuinterpretation von «wer am lautesten ist, kommt zuerst dran».
Und dann die Formalitäten. Pässe werden gestempelt, Taschen inspiziert, Beamte blicken streng. Manche tun das sehr gewissenhaft, andere nur solange, bis ein kleiner finanzieller Anreiz das Prozedere abkürzt. Aber hey, das ist der Tanz der Bürokratie, und wer ihn lange genug beobachtet, beginnt fast, ihn zu mögen.
Das Verschwinden des Busses – und meines Gepäcks
Grenze passiert, Stempel im Pass – es könnte weitergehen. Könnte.
Doch als ich mich wieder umsehe, ist der Bus plötzlich weg. Und mit ihm meine Tasche. Einfach verschwunden. Kein Fahrer, kein Beifahrer, keine Spur.
Es folgt eine vierstündige Wartezeit, in der niemand irgendetwas weiß. Niemanden scheint es zu stören, dass ein kompletter Bus samt Inhalt einfach nicht mehr existiert. Während ich mit der Situation hadere, sitzen die anderen Mitreisenden gelassen herum, kauen auf irgendwas Unidentifizierbarem und plaudern entspannt über dies und das.
Vier Stunden später – plötzlich taucht der Bus wieder auf. Halleluja! Doch die Freude ist von kurzer Dauer: meine Tasche ist weg.
Der Versuch, mir Geld aus der Tasche zu ziehen – im wahrsten Sinne des Wortes
Kaum ist das klar, werde ich freundlich aber bestimmt zum Zoll gebeten. Ich kenne dieses Spiel. Hier riecht jemand eine Gelegenheit, dem Muzungu (weißen Mann) ein bisschen Geld aus der Tasche zu leiern.
Doch nicht mit mir. Ich schalte auf maximal kooperative Freundlichkeit und biete an, all meine Sachen mit ihnen durchzugehen. Sie sollen ruhig alle meine dreckigen Kleider bestaunen. Nach fünf Minuten gibt der Beamte frustriert auf. 1:0 für mich.
Aber dann – die nächste Überraschung.
Der Fahrer wird verhaftet – natürlich!
Während ich mich noch über meine fehlende Tasche ärgere, passiert das Unvermeidliche: Unser Fahrer wird verhaftet. Offenbar wurde etwas in den Bus geladen, das nicht gerade legal ist. Überraschung!
Der Mann tut mir fast leid. Fast. Denn was auch immer da passiert ist – es bedeutet für uns alle das Ende der Fahrt.

Mototaxis, Minibusse und ein Sturm der Apokalypse
Also bleibt mir nur noch eine Option: Ab zum Mototaxistand. Rauf auf ein Motorrad, runter zum Busbahnhof.
Dort warten Minibusse. Die fahren allerdings erst, wenn sie wirklich, wirklich voll sind. Also wieder warten. Eine Stunde.
Dann geht es endlich los. Und wie es sich gehört, hält der Minibus wirklich alle 100 Meter, um irgendwen aus- oder einsteigen zu lassen. Die Fahrt dauert ewig.
Und als wäre das nicht genug, bricht 45 Kilometer vor dem Ziel ein apokalyptischer Sturm los. Ein Regen, der so dicht ist, dass die Scheibenwischer einfach aufgeben. Plötzlich fährt der Bus nur noch mit 20 km/h – ein Tempo, das mir in diesem Moment noch langsamer erscheint als ein Internet-Download in den 90ern.

Doch dann – nach 22 Stunden Reisezeit – ist es endlich soweit:
Ankunft in Jinja – Uganda, du Schöne!
Jinja, die Stadt am Nil, empfängt mich mit einer Atmosphäre, die sich sofort anders anfühlt. Uganda hat in den ersten Stunden bereits ein beeindruckendes Bewerbungsschreiben für das schönste Land Afrikas abgegeben.
Es ist lebendig, es ist herzlich – und es ist verdammt schön.

Fazit – Warum wir das Reisen lieben
Die Busia-Grenze ist kein Ort für schwache Nerven. Sie ist chaotisch, anstrengend und verlangt eine Engelsgeduld. Doch wenn man sich darauf einlässt – wenn man die kleinen Geschichten inmitten des Chaos aufsaugt, mit den Händlern scherzt, den Beamten das Spiel nicht zu leicht macht und mit den Mitreisenden lacht –, dann wird es zu einem dieser Erlebnisse, die man nie vergisst.
Denn genau dafür reisen wir doch, oder? Um Geschichten zu sammeln, die wir irgendwann mit einem Lächeln erzählen können.