
Ganvié – Das schwimmende Wunder Afrikas
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Wer auch immer diesen Unsinn verbreitet hat, war entweder noch nie auf einem nigerianischen Frachtschiff oder hatte einen deutlich stabileren Magen als ich.
Alles begann mit einer simplen Idee: Wir wollten von Calabar in Nigeria nach Tiko in Kamerun – und weil wir eben nicht einfach irgendeine langweilige Fähre nehmen wollten, landeten wir auf einem Frachtschiff. Mit unseren Scootern.
Erste Lektion: Geduld ist keine Tugend, sondern Überlebensstrategie
Bevor wir überhaupt loslegen konnten, mussten unsere Scooter nach Calabar transportiert werden. Und erstaunlicherweise verlief das ohne grössere Dramen – ein seltenes Wunder in dieser Ecke der Welt. Aber dann begann das eigentliche Warten: Unser Schiff war natürlich noch nicht entladen. Und in Nigeria bedeutet das, dass Dutzende von Männern mit einer stoischen Ruhe Box für Box aus dem Frachter tragen. Nichts mit Containerkränen und Hochtechnologie – hier läuft das Ganze noch wie zu Zeiten von Magellan.
Der Prozess dauerte satte drei Tage. Drei. Ganze. Tage. Und als wäre das nicht schon genug, kam pünktlich zur geplanten Beladung der grosse Regen. Und wenn es in Nigeria regnet, dann regnet es nicht einfach nur – dann öffnet der Himmel alle Schleusen gleichzeitig und sagt: „Jetzt zeige ich euch mal, was ein Wolkenbruch wirklich ist.“ Ergebnis: Alles steht still. Matrosen, Hafenarbeiter und auch unser Frachtschiff. Ein ganzer Tag zusätzlich. Ich begann mich zu fragen, ob ich nicht einfach schwimmen sollte.
Leinen los – und das Abenteuer beginnt
Trotz allem war der Moment, in dem wir endlich in See stachen, ein kleines Wunder. Es war früher Morgen, die Luft noch feucht vom letzten Regenschauer, und über dem Hafen lag eine dichte Nebelschicht. Vor mir ragte unser Frachtschiff auf – ein beeindruckender Koloss aus Stahl, Rost und dem leichten Aroma von Diesel und Fisch.
Die Crew nahm mich erstaunlich freundlich auf, half mir mit meinem Gepäck und machte sich dann wieder an ihre Arbeit. Nur der Zollbeamte, der meine Ausreise abwickeln sollte, war weniger hilfreich. Offenbar wollte er nicht nur meinen Pass kontrollieren, sondern mir auch eine halbstündige Vorlesung über illegale Migration halten. Ich nickte höflich, tat so, als würde ich zuhören, und hoffte, dass er mich bald gehen lassen würde.
Ein schwankendes Zuhause auf Zeit
Das Innere des Schiffes war… nun ja, funktional. Überall standen Kisten, Fässer und allerlei undefinierbare Ladung. Es roch nach Abenteuer – oder vielleicht auch einfach nach Öl, Salzwasser und einem Hauch von altem Fisch.
Kabinen? Nur für den Kapitän und die Crew. Ich teilte mir die Kojüte mit zwölf anderen Passagieren. Zwölf! Aber immerhin – meine Grösse erwies sich mal wieder als Vorteil. Während andere sich verbiegen mussten, passte ich irgendwie in eine Ecke.
Der Zauber des Meeres – und die Schattenseiten des Schaukeln
Die ersten Stunden verbrachte ich an Deck, genoss den Wind, das Meer und die vorbeiziehenden Bohrinseln. Diese Dinger haben oft eine flammende Spitze, die aussieht wie eine orientalische Öllampe – als hätte Aladdin persönlich sie dort platziert.
Aber dann setzte das Schaukeln ein. Nicht dieses sanfte, romantische Wiegen, das einem in Filmen suggeriert wird, sondern ein kompromissloses Hin- und Herschleudern, das den Begriff „Seegang“ in ganz neue Dimensionen hob.
Und so kam, was kommen musste: Mein Magen verabschiedete sich in den Streik. Ich tat mein Bestes, mich nicht direkt über die Reling zu hängen – das hätte der Bord-Etikette vermutlich nicht entsprochen. Stattdessen lag ich flach auf dem Boden, Augen zu, tief atmend, und versuchte, mir einzureden, dass das hier eine wertvolle Lebenserfahrung sei.
Land in Sicht! Endlich Kamerun
Nach knapp 20 Stunden qualvoller Schaukelei tauchte endlich die Küste von Kamerun am Horizont auf. Und was für eine Kulisse! Sanfte, grüne Hügel zogen sich entlang der Küste, und der Hafen von Tiko wirkte fast idyllisch – zumindest verglichen mit dem schwankenden Albtraum, auf dem ich die letzten Stunden verbracht hatte.
Das Entladen begann sofort – theoretisch. Praktisch dauerte es wieder länger als gedacht. Aber immerhin waren unsere Scooter als Erstes dran. Während wir warteten, wurden wir von allen Seiten angestarrt – in Westafrika eine völlig normale Sache, aber nach 20 Stunden auf hoher See fühlte ich mich dadurch nicht unbedingt frischer.
Fazit: Abenteuer, Einsichten und ein fragiler Magen
Meine Reise auf dem Frachtschiff von Calabar nach Tiko war vieles: aufregend, anstrengend, lehrreich – und ein absoluter Härtetest für meinen Gleichgewichtssinn. Ich habe die Langsamkeit des Handels kennengelernt, die Gelassenheit der Hafenarbeiter bewundert und gelernt, dass der menschliche Magen doch erstaunlich widerstandsfähig sein kann – zumindest mit viel Willenskraft.
Ob ich es wieder tun würde? Nun, sagen wir mal so: Vielleicht, aber nur mit ausreichend Reisetabletten.